
«I am incredibly grateful to you for offering me a dignified death. Thank you.»
— Betsy
Betsy und Anne haben einen sehr langen Flug hinter sich. Jetzt haben sie sich im ruhigen Basler Hotel erholt. Seit vielen Jahren weiss Betsy, sie würde wohl eines Tages einen sicheren, begleiteten Freitod wählen. Multiple Sklerose (MS) hat ihr viel Lebensqualität gestohlen. Ständige Schmerzen und verschiedene Behinderungen haben von Jahr zu Jahr zugenommen.
Vor der MS hatte Betsy jahrelang mit Depressionen zu kämpfen. Vor 12 Jahren verliebte sie sich in Anne, die Liebe war gegenseitig. Sie wurden ein Paar. Die Depressionen von Betsy sind seither verschwunden, die MS ist geblieben und verschlimmerte sich weiter. Und Anne erfuhr von Betsys Gedanken, für Sterbehilfe in die Schweiz zu reisen.
Die Depressionen bei Betsy sind seit Beginn der Partnerschaft zwar völlig verschwunden, doch die wiederholten früheren Episoden machen eine psychiatrische Abklärung der Urteilsfähigkeit für eine legale Freitodbegleitung notwendig. Jetzt beim Gespräch im Hotelzimmer findet sich keine Spur von Depression und ihr Bewusstsein ist ganz klar.
Es wird ein sehr berührendes Gespräch: «Wir haben in diesen 12 Jahren so viele schöne Momente, so viel Freude miteinander erlebt», bestätigen beide.
Das Wissen, dass Betsy bald von dieser Erde gehen wird, hat die Beziehung zwischen ihr und Anne noch intensiver gemacht.
«Vor vier Monaten haben wir geheiratet.» sagt Anne und streckt uns strahlend ihre Hand mit dem noch neu glänzenden Ehering entgegen. Und Betsy fügt an:
“Weil sie mich so sehr liebt, lässt Anne mich gehen und gewährt mir die Erlösung von meinen Qualen. Sie nimmt den viel schwereren Teil auf sich, allein nach Hause zu fliegen und allein zu Hause ohne mich weiter zu leben.” Betsy sagt es ruhig, man spürt ihr grosse Dankbarkeit.
Im Hotelzimmer ist Ruhe und Frieden. Anders als man erwarten würde im Wissen, dass ein Gast am übernächsten Tag sterben wird. Spürbar ist die grosse Liebe der beiden Frauen.
Wie kann Anne das Sterben ihrer geliebten Betsy akzeptieren? Es war ein langer Weg mit schmerzhafter Trauer, Nachdenken, Zweifel. Doch jetzt ist Anne’s Aussage ganz klar: «Jeder Mensch verdient die Liebe und den Respekt, selber bestimmen zu dürfen, wann und wie sein Leben enden soll, besonders wenn das Leiden unerträglich geworden und keine Lebensqualität mehr vorhanden ist.» Das Hotelzimmer scheint wie von Liebe erhellt.
Voller Dankbarkeit und ganz spontan umarmen mich beide Frauen zum Abschied. Diese Dankbarkeit der meisten Menschen, die für Sterbehilfe kommen, macht diese Arbeit so besonders. Die Gewissheit, dass sie würdevoll, ruhig und sicher sterben dürfen, lässt diese Menschen vor dem grossen Abschied seelisch geradezu aufblühen.
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