Tausend Menschen in der Schweiz, zehntausend in Deutschland sterben jährlich durch einsamen Suizid. Keine liebevollen Abschiedsworte, kein Hände halten, keine letzte Umarmung. Allein gehen sie ins Wasser, allein vor den Zug, allein mit dem Strick in die Garage. Die Hürden für Freitod-Hilfe sind für manche dieser Menschen zu hoch, die vorgeschriebenen Abklärungen für sie demütigend und entwürdigend. Der Sarco kann einen Ausweg bieten.
Auch die jetzt etablierten Sterbehilfeorganisationen hatten ihre wilden Pionierjahre und mussten gegen viele Widerstände kämpfen. Immer wieder gab es Schlagzeilen und oft weltweiten medialen Lärm. Immer wieder gab es Empörung und Beschimpfung der Pioniere. Immer wieder Verbotsversuche von Behörden und Parteien. Dank direkter Demokratie und dank mutiger und hartnäckiger Vorkämpfer wie Ludwig Minelli konnte die heutige liberale Schweizer Regelung erreicht werden. Umfragen und politische Abstimmungen haben immer ein sehr klares Bild ergeben: Die Bevölkerung will freiheitliche Lösungen!
Die Entwicklung geht auch jetzt weiter. Sie muss weiter gehen. Natürlich sehen das die etablierten Sterbehilfeorganisationen nicht so gerne. Diese sind wohlig eingerichtet und zu Recht stolz auf ihre Erfolge. Und sie wollen in ihrer behaglichen Routine nicht gestört werden durch freche neue Pioniere. Und Politiker:innen hoffen sofort auf die Chance, sich durch Verbotsforderungen profilieren zu können! Ich habe aber Vertrauen in die Schweizer Bevölkerung. Wie bisher lässt sie sich die Offenheit für neue Entwicklungen wohl nicht so schnell wegnehmen!
Die Polemik um Philipp Nitschke gleicht so sehr der Polemik um frühere Vorkämpfer wie Ludwig Minelli! Das ist ein Grund zu entspannter Zuversicht. Ich hoffe auf ähnliche Hartnäckigkeit bei Nitschke, wie wir sie bei den früheren Pionieren erlebt haben!
Schon gar nicht kann diese Zuversicht durch eine überstürzte und keineswegs solide begründete Stellungnahme einer Bundesrätin erschüttert werden.
Auch die einseitige, etwas romantisierende Verallgemeinerung erfahrener Sterbehelfer, die Menschen möchten zu Hause im Kreise ihrer Lieben sterben, ist für viele aber nicht für alle gültig. Ganz gegenteilige Wünsche gibt es genauso. Gerade nicht zu Hause, gerade nicht mit viel Nähe von anderen Menschen möchten manche sterben. Auch diese Form des Sterbens gehört respektiert.
Warum will man wieder besser wissen, was für die Betroffenen ein würdiges Sterben sei. Gerade durch diese entmündigende Besserwisserei wird die Würde der Sterbewilligen am stärksten beschädigt.
Der Sarco kann in jedes Land transportiert werden. Er kann wohl bald auch in anderen Ländern produziert werden. Der zu Unrecht verteufelte «Sterbetourismus» ist eine wichtige urdemokratische Möglichkeit, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden. Je leichter die von Gegnern aufgerichteten Hürden durch die Reise in andere Länder umgangen werden können, umso schneller fallen diese Hindernisse und unterstützen liberalere Regelungen. Kluge Institutionen und Behörden werden sich gar nicht in Auseinandersetzungen hinein ziehen lassen, die sie trotz hoher Gerichtskosten nur verlieren können. Das Verurteilen des Sterbens mit dem Sarco wird nicht lange Bestand haben. Zu viele werden gerade diesen Weg wählen wollen.
Und endlich: Wie menschlich ist doch die vorbereitende Hilfe zum Sarco. Zum Beispiel das Geschenk, den Sarco auf privatem Grund aufstellen zu dürfen. Oder nach einem Anstossen mit einem Glas Wein zum Abschied. Vielleicht nach einem gemeinsamen Essen und einer letzten tränenreichen Umarmung. Gerade die Hilfe von anderen Menschen, die beim letzten Abschied nicht ihre eigenen Wertvorstellungen aufzwingen wollen, kann diesem Sterben eine besondere Würde geben.
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