PD Dr. med. Jakob Bösch

KOMM SÜSSER TOD, KOMM SELGE RUH

«Selbstbestimmt durfte ich aus dem Leben gehen und wurde von meiner Erkrankung erlöst. Herzlichen Dank an alle meine lieben Freunde, die mich auf meinem Lebensweg begleitet haben und mir in Liebe und Freundschaft begegnet sind.»
(Heidemarie)

Heidemarie* war von kleiner Statur und mit einer fast kindlich hohen Stimme. Doch ein Mensch mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Sie kümmerte sich sehr um die betagten Menschen, kaufte über die Arbeitszeit hinaus für sie ein, reinigte die Blumenvasen und arrangierte die Blumen, ohne Überstunden aufzuschreiben. Heidemarie gehörte zu den seltenen Menschen, die vieles tat um Gottes Lohn und dabei glücklich war.

Ihre allergisch entzündete und unglaublich schmerzhafte Speiseröhre mit offenen, blutenden Wunden wurde bei diversen Spitalaufenthalten nicht erkannt, weil die Ärzte von dieser Krankheit, die relativ neu erstmals beschrieben wurde, nichts wussten. Medizinisch half man sich aus der Verlegenheit, indem man stereotyp die früher einmal gefasste Meinung übernahm, im Grunde sei die Krankheit nur eingebildet. Die  Hausärztin nannte es «wahnhaft» Die Patientin habe eine psychische Störung und ihr Sterbewunsch könne da nur krankhaft sein, also sei Hilfe zu sterben verboten. Heidemarie war schon seit vielen Jahren Mitglied bei EXIT. Doch EXIT respektierte die ärztliche Diagnose und glaubte, nicht helfen zu dürfen.

Also keine Hilfe zum erlösenden Sterben sondern einsperren in der Psychiatrie. Missachtet wurde ein heftigster Dauerschmerz, Tag und Nacht, besonders qualvoll bei jedem Essen. Die ihr aufgezwungenen festen Speisen konnte sie nicht schlucken wegen dieser schmerzhaften Wunden und Vernarbungen in der Speiseröhre. Die ebenfalls aufgezwungenen Psychopharmaka führten zu schweren Bewegungsstörungen. Urlaube wurden ihr verweigert. Nach zweimal erzwungener mehrmonatiger Tortur, eingeschlossen und mit unaufhörlichen Demütigungen realisierte Heidemarie: «Ich entkomme der Psychiatrie nur, wenn ich meinen Sterbewunsch strikte verleugne».

Zielbewusst nahm sie nach der Entlassung aus der Psychi das so sehr ersehnte, erlösende Sterben in die eigenen Hände. Heidemarie stellte die neue Hausärztin vor die Alternative: Zusage der Hilfe für meinen Freitod oder ich stürze mich unmittelbar vom Hochhaus auf den Asphalt. Umsichtig und sorgfältig regelte sie ihren letzten Weg. Sie klärte nur wenige vertrauenswürdige Freunde auf über ihre qualvolle Erkrankung und die endlich bevorstehende Erlösung.

Ähnliche Schicksale wie das von Heidemarie ereignen sich immer wieder! Man drängt und zwingt zu überleben, verhindert das freiwillige Sterben und verteufelt es sektiererisch als schwere Sünde. Suizid Prävention wird immer als gut und menschenfreundlich dargestellt. Es muss jedoch im Gegenteil dringend systematisch untersucht werden, wie viel Leid durch gut gemeinte, aber unbarmherzige Suizid Prophylaxe erzeugt wird. Gut gemeint ist hier böse! 

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