PD Dr. med. Jakob Bösch

Zur Last fallen

“Es wird Menschen geben, die, …sagen, dass sie sterben wollen, um ihren Nachkommen nicht zur Last zu fallen. Das finde ich als Christ schrecklich!”

Klaus Aurnhammer, katholischen Klinikseelsorger
  • Was ist denn so schrecklich, wenn ein Mensch anderen nicht zur Last fallen will?
  • Warum will man einen Menschen mit Sterbewunsch unbedingt zum Weiterleben zwingen?


Mein Grossvater 72 jähriger Bauer, wurde durch Kräfteschwund und Unfall ins Bett gezwungen. In seinem Appenzeller Dialekt sagte er mir: “Kobi, i nötze nütz meh of dere Welt ond sött etz chöne sterbe” (Kobi, ich nütze nichts mehr auf dieser Welt. Ich sollte jetzt sterben können!) Nicht sehr lange danach ist er gestorben.
Sehr Ähnliches sagte mein Vater einige Wochen vor seinem siebzigsten Geburtstag. Er war nicht krank, eher alters- und lebensmüde. Gras mähen, Kühe füttern, melken; alles war mühsam und sein Leben für ihn sinnlos geworden. Wenige Tage vor seinem siebzigsten Geburtstag durfte er gehen.
Zum Glück für ihn wie schon für meinen Grossvater war die flächendeckende Notfallversorgung noch nicht etabliert. Und der besinnungslose Kampf, um jeden Preis sein Leben verlängern zu müssen, hatte sich noch nicht so zerstörerisch ins gesellschaftliche Bewusstsein gefressen.
Der Stolz und die Würde meiner Väter wurde ihnen nicht gestohlen. Die Demütigung, durch Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Kosten den Jungen zur Last zu fallen, wurde ihnen erspart.
Was ist denn so schrecklich an diesem Wunsch, nicht zur Last zu fallen zu müssen? Warum wird der Sterbewunsch nicht mehr respektiert? Müssen wir Alten gezwungen werden, weiter zu leben, selbst wenn wir dieses Weiterleben als sinnlos erfahren? Wem dient diese Entwürdigung, diese Respektlosigkeit, die auch eine moralische Entmündigung bedeuten? Muss unser gesellschaftliches Bewusstsein denn immer noch infantiler, kindischer werden? Und dies obwohl wir
ununterbrochen, vernehmen, wie die Jungen die finanzielle Last unserer Altersrenten tragen müssen?

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